top of page

Kein Internet und Metrologen

Kein Internet, wie schon letzte Woche. Das Segeln um Rügen herum hatte etwas in Coronazeiten. Aber kein Internet nervte. Jessi steckte ihren Kopf aus der Bootskajüte. Es regnete, hatte sich eingeschifft, um beim Thema zu bleiben. Eigentlich wollten sie in einen anderen Hafen, aber über dem war das Wetter aufgezogen, das der Typ auf Hiddensee nicht vorhergesagt hatte. Dessen Behausung lag auf dem Ufer gegenüber. Und die Fähre fuhr nicht mehr. Der Regen tropfte auf das Boot. Lui schaute sie an und zuckte mit den Achseln. "Willst Du jetzt den Boten für das Wetter verantwortlich machen?" "Nein, aber wenn er lügt?" "Ich glaube nicht, dass er das tut." Jessi funktelte ihn an. "Es ist mir egal, es muss jemand für diesen Mist bezahlen." "Soll ich Dir einen Fisch fangen, an dem Du Dich auslassen kannst?" Ihre Augen blitzen. "Ich glaube nicht, dass mich das befriedigt."

Jessi ging zum Schrank und holte sich eine Wetterjacke aus diesem. Dann stapfte sie durch die Kajüte und ging in die Plicht. Dort holte sie sich ihre Schuhe aus der Backskiste und zog sie sich über die Füße. Dann stapfte sie über das Deck und stieg an der Seite ab.

Sie richtete ihr Haar und prüfte, ob die Waffe dort steckte, wo sie sie diese hingesteckt hatte. Dann nickte sie Lui zu und verließ das Boot. Sie verließ den Steg. Weiter links war ein Schlippgraben. Weiter hinten war ein Zaun und dahinter führte der Weg zunächst zu einem Aussichtspunkt und dann ins Nirgendwo. Aber diesen Weg nahm sie nicht. Sie steuerte zum Toilettenhäuschen, und stellte fest, dass dort niemand zu sehen war. Die Tür war nur mit einer Chipkarte zu öffnen, die sie jedoch nicht hatte. Der war bei der Hafenmeisterin zu erhalten, und die hatte sich um 18 Uhr verpisst. Zuvor hatte sie Segler angeschissen, die erst um 17 Uhr ihre Boote aus dem Wasser geholt hatten. Das Slippen sei nur bis 18 Uhr erlaubt, laut Hafenordnung. Es wurde bereits gemunkelt, dass diese nur besagte, dass das Slippen nur erlaubt war, solange der Hafenmeister da ist, und die wollte nun mal um 6 nach Hause. Was bleibt also?

Jessi ging weiter. Sie kam an der Bushaltestelle vorbei und warf einen Blick auf den Busfahrplan: "Immerhin fährt hier überhaupt etwas." Jessi stapfte weiter. Sie kam bei Hafenmeister vorbei. Geschlossen. Rechts war ein Restaurant zu sehen, was aber nicht wirklich belebt aussah. Ihre Stimmung hellte sich nicht unbedingt, aber es war niemand zu sehen, an dem sie diese auslassen konnte.

Sie stapfte weiter und kam zum Fähranleger. Sie warf einen Blick nach Hiddensee, zu dem Wettervogel, der dieses Wetter so gar nicht prophezeit hatte. Höchste Zeit für eine Lektion. Aber mit dem eigenen Boot rüber? Der Hafen von Vitte war sicherlich voll und Lui sicher wenig begeistert, wenn er von Jessis Plan erfuhr. Er hatte ihr ja den Fisch empfohlen, um ihre Wut auszulassen. Und nun?

Jessi warf einen Blick in den Regenhimmel. Nein, sie musste dort irgendwie selbst hinkommen. Aber wie? Sie warf einen Blick zur Fähre, die aber scheinbar nicht mehr fahren wollte.

Ein Boot fuhr aus dem Hafen und sie winkte diesen zu. Es drehte bei und ließ Jessi nach kurzem Gespräch aufsteigen. Es waren Angler, die noch etwas auf Fang gehen wollten.

Aber bei dem Wetter? Machte das überhaupt Spaß?

Jessi brauste mit dem Boot zum gegenüberliegenden Ufer und lief in den Sportboothafen ein. Dort angekommen, warf sie einen Blick nach Norden, wo sie den Wetterfrosch vermutete. Sie warf einen Blick auf ihr Handy, was von den Regentropfen getroffen wurde. 4 G, wer sagts denn? Aber warum musste sie dafür jetzt unbedingt nach Hiddensee? Ach ja, weil da etwas mit dem Netzausbau schief gelaufen war. Und wegen dem Wetter.

Lohnte es, dem Typen zu sagen, dass er vernünftiges Wetter vorhersagen solle, oder war das ehe ein Hoffnungsloses Unterfangen, weil er einfach zu doof war.

Sie ließ die metrologische Station rechts liegen und ging die Dorfstraße entlang. Es war inzwischen 9 Uhr und sie beschloss, eine Kneipe aufzusuchen. Sie liess sich an einen Tisch nieder und bestellte sich einen Rotwein. Die Kneipe war ziemlich leer. Drei Männer saßen an einem Tisch. Sie hatten nichts gegessen, sondern hielten sich an ihrem Bier fest. "Also Deine Prognose von heute war ja mal wieder voll treffend.", sagte der eine und seine Stimme verriet im Unterton etwas Sarkasmus." "Was kann ich für die Modelle," "Also mein Wetter stimmt meistens.", meinte der Dritte. Jessica horchte auf. War das Zufall? Sie hob das Glas. "Glückwunsch mein Herr zum neuen Buch." Einer der drei hob den Kopf. "Haben Sie es schon belesen?" "Nein, ich quäle mich gerade durch das von Ihrem Kollegen von der ARD." "Das klingt ja nicht so positiv, schade." "Doch doch, es ist ganz interessant. Außerdem, warum soll nur ich quälen und nicht auch ein bisschen gequät werden." Der Metrologe lächelte. "Na dann? Sind sie zu Besuch auf Hiddensee?" Jessi schüttelte den Kopf. "Eigentlich sind wir drüben in Schabrode, ich bin nur gerade rüber gekommen, weil ich mich geärgert habe." "Geärgert?", fragte sein Kollege. Worüber? "Wenn ich ehrlich bin über Sie." "Über mich?" "Ja über Ihr Wetter. Und dass es drüben kein Internet gibt und den dritten Grund habe ich schon vergessen." "Sie ägern sich so sehr über meinen Wetterbericht, dass Sie am Abend noch die Reise mit dem Boot auf sich nehmen, um mir die Meinung zu sagen?" "Klar. Ihr Kollege hat doch geschrieben, dass 10 % ihres Wetters nicht stimmen und sich die Leute für Sie regelmäßig neue Namen ausdenken. Das wollte ich auch mal tun." Die drei grinsten. "Dürfen wir Sie an unseren Tisch einladen?" Jessi zierte sich kurz, willigte dann aber doch ein.

"Warum missfällt Ihnen mein Wetter?", fragte einer der drei. "Sie bekommen nie etwas über den Wind gesagt. Ja, ist ganz nett, aber das war es auch schon." "Was glauben Sie, wollen die Leute hören?" "Also ich als Seglerin höre auch gerne etwas über den Wind, so wie bei den Kollegen." "Aha."

Die Kneiperin kam zum Tisch: "Darf es noch was sein?" Der Metrologe schaute sie an: "Wie wäre es mit einem Sanddornschapps?" Jessica lächelte ihm zu. "Aber gern."

Einer der drei griff hinter sich: "Na dann, auf den guten Wetterbericht." Jessi verzog das Gesicht. "Wenn Ihr versprecht, dass das Ausbaufähige überholt wird." Die drei nickten.

"Ich habe da ganz besondere Fläschchen hinter mir stehen", verkündete der eine und griff erneut hinter sich. "Damit bekomme ich auch das schönste Wetter angesagt."

"Aber passt Schnapps und Wein eigentlch?" "Ja warum denn nicht." Er goß nach.

Jessi nahm das Glas in die Hand und kostete von dem guten Schluck. "Oh, der schmeckt gut." "Sag ich doch." Er füllte ihr just nach.

Die Zeit verging und mit dieser wurde das ein oder andere Glas aus der ein oder anderen Flasche geleert.

"Ich muss eine Beute mit nach Schabrode mitbringen, aber nachdem ich Euch jetzt kennen gelernt habe, und Euch eigentlich mag, muss ich einen anderen Wettervogel mitbringen. Was mach ich denn da?" "Wettervogel hieß doch der Kollege vom ZDF, oder?" "Mir egal. Ich brauch einen Kopf!" Die drei schauten die Dame an. Der eine schenkte ihr noch einen Schnapps ein. "Na da bin ich ja etwas beruhigt, dass es nicht meiner sein muss." Jessi setzte das Schnappsglas an die Lippen. "Kannst Du auch. Aber ich brauche den Kopf. Ohne den verlasse ich Hiddensee nicht, und im Zweifel." Sie grinste in seine Richtung, und er musste Schlucken. "Ich glaube, da müssen wir wohl einen Ausweg finden."

Die vier verließen mit vier Gläsern und einer fast vollen Flasche das Gasthaus. "Hier gibt es einen Bauern.", verkündete der eine von ihren. "Ich weiß nur nicht, ob er uns freiwillig seinen Hahn abtritt." Jessi schien längst nicht mehr die treibende Kraft, denn die drei hatten beschlossen, ihrem Kollegen den Hals zu retten, und das ging wohl nur über das Opfer des Kopfes eines Hahns. Da schien die Dame unnachgebig zu sein. Die vier schlichen sich zu besagtem Haus und betrachteten sich eine Weile den Hinterhof. "Da laufen sonst Hühner.", meinte der eine. "Bist Du sicher? Ich brauch aber den vom Hahn." "Würde es auch ein Frosch tun?" Jessi schaute den Metrologen an: "Ich glaube, Du willst ablenken?" Sie fasste ihn am Kragen und zog ihn zu sich herunter. "Ich glaub, Du möchtest nicht mit mir verhandeln. Entweder Dein Kopf, oder der von einem Hahn. Mit weniger gebe ich mich nicht zufrieden." Der Gute Metrologe stieß Jessi an der Schulter. "Wir holen Dir Deinen Kopf." Sein nicht minder gute, aber nicht ganz so redegewanndte Kollege pflichtete ihm bei. "Jawohl. Das tun Wir!"

Er öffnete die Pforte und ging zum Schuppen, in dem er wusste, dass dort die Hühner eingesperrt waren. "Ich werde ihm das morgen gestehen müssen, hier kennt jeder jeden auf der Insel." "Das ist Euer Problem.", meinte Jessi. "Allerdings,"

Die drei Männer gingen in den Stall und kamen mit einem Hahnenkopf heraus. Diesen drückten sie der Dame in die Hand. Und dann harkte sie bei zwei der beiden ein, und führte die Flasche zum Mund. "Auf dass Ihr Eure Köpfe behalten könnt." Sie gingen zum Funkhaus, wo erneut ein Fläschen hervorgeholt wurde. Wieder wurden vier Gläser heraus gefüllt. "Der Sanddorn schmeckt." Der Kopf des Hahns lag zwischen ihnen, als sie sich am Tisch niederließen und noch das eine oder andere Glas leerten.

Und dann? Vier Männer, eine Frau und ein Hahnenkopf machten sich mit einem Boot rüber nach Schabrode, um nicht noch Gefahr zu laufen, dass sie dort als vermisst gelten sollte.

 
 
 

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
Phantasie von Berny

Mal wieder ein Gastbeitrag von unserem langjährigen Mitglied Berny: Phantasie Meine Herrin hat mir befohlen eine Phantasie...

 
 
 

Comments


Beitrag: Blog2_Post

©2025 Lieblingsfalle.com  Erstellt mit Wix.com

bottom of page