Ein genussvoller Abend
- Jessi Lui
- 7. Mai
- 3 Min. Lesezeit

Ein genussvoller Abend
Wir hatten gestern einen schönen Abend. Wir? Nein, diesmal waren nicht Freya, Lui und ich gemeint. Obwohl. Hatte ich den beiden nicht auch einen schönen Abend bereitet?
Als ich das Haus verließ, lag Lui auf der Streckbank und Freya saß im Käfig. Ich fuhr in die Hamburger Innenstadt und betrat dort einen Keller eines Theaters, wo ich mich recht nahe der Bühne platzierte. Auf der Bühne waren zwei Stühle und dort sollte ein Gespräch stattfinden.
Es dauerte noch etwas, bis die Show beginnen sollte und ich holte mir etwas zu trinken, wobei ich meine Jacke hängen ließ. Als ich wiederkam, hatte sich ein Mann auf den Platz neben mich gesetzt und verkündete mir, dass noch mehr kommen würden. Ich lächelte ihn an und wir begannen einen Smalltalk über den Künstler, der heute zu Gast sein würde. Als sein Freund kam, musste ich innerlich grinsen, denn er trug ein Stahlhalsband mit einem Ring der O. Ich ließ mir nichts anmerken. Wussten sie, wer ich war? Jessica King – Mafiadomina von Hamburg? Vielleicht hatten sie mich schon einmal in der Zeitung gesehen, aber hier erkannten sie mich nicht. Naja, ich hatte auch einiges dafür getan, um unbehelligt eine Nette Nacht zu verbringen.
Der Gast würde sich mit einer Moderatorin unterhalten und ich war gespannt auf die Show. Natürlich ließen sich die beiden Zeit und immer wenn das Ziffernblatt umsprang, drückte ich auf einen kleinen Knopf am Handgelenk. Warum sollte ich nur leiden, wenn andere mich warten ließen? Ich entdeckte die Managerin des Künstlers und ging kurz zu ihr, um ihr guten Tag zu sagen. Zuvor jagte ich einmal lang, einmal kurz und noch zweimal lang in Lui. Ob er mein Zeichen verstehen würde, wusste ich zwar nicht, aber das war mir in diesem Moment auch herzlich egal. Die Moderatorin betrat die Bühne und erzählte etwas über den Gast, was ich hier nicht wiedergeben werde. Dann erschien er hinter dem Vorhang und setzte sich zur Moderatorin.
Es begann ein Gespräch zwischen den beiden, dass den Lebensweg des Künstlers beschrieb. Einiges wusste ich von ihm, vieles war mir neu. Wie sich unsere Wege doch ähnelten, auch wenn wir nie das gleiche Ziel hatten und auch völlig unterschiedliche Startpunkte. Es war spannend, den beiden zuzuhören. Die Moderatorin bot dem Künstler Raum für seinen eigenen Showteil und seinen Gesang, der mich jedes Mal wieder überraschte.
In der Pause lernte ich den damaligen Chef der Location kennen, in der der Künstler damals sein erstes Programm aufgeführt hatte. Wir hatten ein sehr freundliches kurzes Gespräch, in dem ich erklärte, wer ich bin, was ich mache, ohne mich zu wichtig zu nehmen. Leider wurde der Künstler viel zu früh zurück auf die Bühne gerufen. Sollte ich Lui deswegen bestrafen?Nein, das war nicht nötig, denn der Künstler fing meinen Ärger sofort wieder ein und ich lauschte gebannt dem zweiten Teil der Show.
Nach dieser begann ein allgemeiner Talk mit Selfies und allem drum und dran. „Komm, wir müssen uns noch unterhalten.“ Wir setzten uns zu einer Gruppe verbliebener Gäste, auch wenn mein Blick einmal kurz auf die Uhr glitt, da ich ja wusste, dass mein Narr litt. Naja, jetzt saß ich mit einem anderen „Narren“ zusammen, von dem sich mein Narr eine Scheibe abschneiden konnte. Wir quatschten über Parallelen zwischen uns und irgendwann nach 11 drängte „einmal lang, einmal kurz und noch zweimal lang“ nach hause. So verblieb ich bei der Gruppe, bis die sich auch nach geraumer Zeit auflöste.
Es war nach 11, als ich auf dem Bahnhof ankam, aber als ich die Anzeige sah, musste ich eine Entscheidung treffen. Dort stand nämlich, dass der Zug zwei Stationen vor meiner enden sollte. Schienenersatzverkehr ohne Gewissheit des Anschlusses? Wie lange würde das dauern? Wie lange würden mein Narr und meine Sklavin leiden müssen, ehe ich sie aus ihrer misslichen Lage befreite? Ich bestieg ein Taxi und verkürzte ihnen die Leidenszeit. Schließlich hatte ich einen genussvollen Abend. Danke lieber Künstler.
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