Lebend trotz Berlin (3) - Trucktour
- Jessi Lui
- 22. Mai 2020
- 5 Min. Lesezeit
Trucktour Jessi hatte mich zum Einkaufen geschickt und als ich wiederkam, traute ich meinen Augen nicht. Da wo vorher das Auto gestanden hatte, stand jetzt ein Truck und auf dem Anhänger befanden sich mehrere Autos. Die meisten sahen Schrottreif aus. Ich blickte nach oben. Dort entdeckte ich mein Auto. Ich rannte zur Tür und klopfte. “Hey, was machen Sie mit meinem Auto.” Der Trucker, ein Bär von einem Mann öffnete die Tür! “Avez-vous dit quelque chose?” “Hä?” “Avez-vous dit quelque chose?” Er baute sich vor mir auf! “Das ist mein Auto.”, versuchte ich auf Englisch. Er griff meine Kehle: “Entrer!” Hier liegen Französisch und Englisch nicht so weit auseinander, so dass ich ahnte, was er meinte! Er führte mich an der Kehle haltend zur Beifahrertür und ließ mich einsteigen. Ich wurde mehr auf den Beifahrersitz gehoben, als dass ich kletterte. Der Typ hatte eine Bärenkraft! Ihm genügte ein Arm um mich hochzuheben. “Jessica, femme, Jessica, femme.”, stammelte ich, um ihm mitzuteilen, dass ich jemanden vermissen würde. Er blickte mich an und sagte mit einem fürchterlichen Ton in der Stimme die Worte: “Suck by butt!” “Jessica, femme, Jessica, femme.”, stammelte ich erneut. Er saß schnell wieder neben mir und der Truck fuhr los. Als ich versuchte, die Tür zu öffnen, griff er meinen Arm. Sie waren wir Schraubzwingen. Mir halten Bobs Worte im Ohr. Ich hatte Angst. Der Truck verließ die Stadt. Ich blickte ängstlich in den Rückspiegel. War das hier normal? Das konnte eigentlich nicht sein, oder? Wo hätte Jessica diesen Berg hernehmen sollen? Nein, das konnte nicht sein. “Dein Püppchen haben meine Freunde mitgenommen. Ich hoffe, sie lassen etwas für mich übrig!” Ich versuchte ihm ins Lenkrad zu greifen und bekam eine Schelle, die sich gewaschen hatte. Immerhin wusste ich jetzt, dass er Englisch konnte. Schmerzerfüllt hielt ich meine Wange. Ich starrte ihn an. Hasserfüllt! Sein Blick war kalt wie Eis! Doch dann verzogen sich seine Mundwinkel. Er hielt den Truck und fing an schallend zu lachen. Ich verstand gar nichts mehr, war eher der Verzweiflung nah. Den Kopf in die Hände gesteckt, spürte ich eine Berührung an der Schulter. “Ich bin hier! Wein nicht, ich bin hier!” Es war Jessis Stimme. “Danke fürs Mitspielen Umut.” “War mir eine Ehre Jessi!” Ich blickte erst den Typen an. Meine Hände zitterten noch immer. Dann blickte ich zu Jessi, die über das ganze Gesicht grinste. “Verdammt, ich hatte Angst um Dich!” “Solltest Du auch!” Sie schlag die Arme um mich und gab mir einen Kuss auf den Mund! “Danke!” “Wofür?” “Das Du Angst um mich hattest!” “Ich habe Bobs Worte nicht vergessen!”, sagte ich bissig. “Also hattest Du in Wahrheit Angst um Deinen eigenen Hals!” Sie zog sich zurück. Schmollte. Mein Zorn schmolz dahin, so rasch, wie er gekommen war. “Ich mag Dich Jessica. Ich hätte mir nie verziehen, wenn…” Ihr Gesicht kam näher! “Wenn was?” “Wenn Dir was passiert wäre.” “Aber von mir doch nicht, raue Schale, weiches Herz. Ich konnte einfach nicht widerstehen, ihr die Bitte für dieses Spiel,” er betonte die letzten beiden Worte, “abzulehnen.” “Kennt Ihr Euch?”, fragte ich misstrauisch. “Ich bin vorgefahren, da bist Du gerade in den Laden rein.” “Und vorher?” Umut schüttelte den Kopf. “Das Vergnügen hatte ich bisher nicht!” Meine Spannung löste sich. Ich musste kichern. “Vergnügen?” “Ja sie hat mir gesagt, sie mag Dich!” “Hat sie das?” Jessica räusperte sich. “Ja hat sie!” Ihre Worte verbaten jeden Widerspruch. Umut verzog das Gesicht. Seine Hand glitt zum Radio. “Lust auf Musik?” “Ja gerne.” Ich drehe mich zu Jessi um, während Umut am Radio fummelte. “Na dann kann ich ja beruhigt sein, dass das nicht nur auf Boshaftigkeit beruht.” “Frech wie eh und je!” Ihr Gesicht näherte sich dem meinen. Sie gab mir einen kurzen Kuss auf den Mund. Aus den Boxen begann: “I Hope You Die!” Jessis Kommentar war das deutsches Zitat: “Am meisten liebe ich mir die vollen frischen Wangen! Für einen Leichnam bin ich nicht zuhaus. Mir geht es wie der Katze mit der Maus!” zuckersüß gesprochen. Ich verzog das Gesicht. “Faust, Prolog im Himmel!!” Umut schaute mich unverständlich an. “Deutscher Nationaldichter! Goethe!” “Der Typ mit dem Handschuh? Coole Geeste!” “Untersteh Dich!”, zischte Jessi, “nein, der andere!” Wir alle drei lachten. Die Spannung war gelöst. “Von dem mit dem Handschuh kommt aus ‘die Räuber’ ‘was soll der fürchten, der den Tod nicht fürchtet*” Und zu Jessi fügte ich hinzu: “Ich bin doch nicht verrückt, und werfe Dir den Handschuh ins Gesicht” “Und das obwohl ich Dich in den Löwenkäfig zu Umut geschickt habe. Das ist aber nett von Dir!” “Naja, wirklich ne Wahl hatte ich ja nicht.” “Das stimmt.” Sie gab mir erneut einen Kuss. “Danke dafür!” “Ich glaub nach Jessi musst Du echt nix mehr fürchten!” “Ich hoffe es!” Wir beide lachten, Jessica schmunzelte zumindest. Es folgte etwas Smalltalk zur Musik. Bis, ja bis "The Ballad of Chasey Lain" lief. Und ich lief vor Scham rot an. “Was für eine Schlampe!” Es war ein typischer Spruch eines Truckerfahrers! “Hast Du sie in ihrem Film gesehen, wo eine Ehefrau sie ihrem Gemahl zum Geschenk macht? Sex II: Fate” Er schaute kurz nach hinten: “Sollte ich!” “Wäre vielleicht ratsam!” “Nein hab ich nicht!”, gab Umut zu. Jessica kletterte auf den Vordersitz. “Eine großartige Szene. Sie wird runterputzt.” “Was Du alles weißt?” “Und sie sagt nur ein einziges Wort! Sie wird sofort zurechtgewiesen!” “Was Du nicht sagst!” “Doch doch das ist so.” Umut schmunzelte: “Kann es sein, dass Ihr zwei beiden etwas ähnliches praktiziert?” Jessi biss sich auf die Lippen. “Das würde ich nie öffentlich zugeben.” ”Ich auch nicht.”, meinte ich ihr beistimmen zu müssen. Jessi richtete sich auf. “War da nicht gerade ein Baumarkt?” “Ja stimmt!” “Drehst Du um und läßt mich was besorgen?” Es dauerte etwas, bis Umut eine Wendemöglichkeit fand, aber er fuhr zurück. Jessi verschwand im Laden. “Das ist doch Unsinn, dass Ihr Euch erst gestern kennen gelernt habt, oder?” “Nein, das stimmt.” “Und wie heiß der Typ noch vorhin mit dem Handschuh?” “Schiller!” “Ich glaube, die sehen bestimmt scharf an ihr aus!” “Mag sein, mir wurde aufgetragen, auf sie aufzupassen, aber momentan fühle ich mich eher als…” “Spielball.”, vollendete Umut den Satz. “Kann sein”, gab ich zu. “Ja das kenn ich.” Wir schwiegen eine Weile. “Aber heiß ist sie ja. Muss ich zugeben!” “Sag ihr das besser nicht ins Gesicht!” “Was soll er mir nicht ins Gesicht sagen!” Jessi tauchte neben mir auf und stieg über meinen Schoß in die Fahrerkabine. “Nix.” Umut und ich wie aus einem Munde. “Na dann ist gut!” Umut trat die Kupplung und ließ den Truck aufheulen und fuhr dann los. Jessi machte es sich in unserer Mitte bequem. Sie wirkte recht vergnügt, und ich hatte meine Freude daran. Wir fuhren ein paar Kilometer schweigend. Dann erschallte nach der Bedienung des Radios “Poison” von Alice Cooper. “Dein Gift rennt durch meine Venen. Dein Gift.” Jessi ergriff meine linke Hand und wickelte ein Seil darum, was sie aus einer Tüte zog. Sie zog es durch den Handgriff am Fenster. Mein rechter Arm folgte. “Keine falsche Bescheidenheit”, stachelte Umut an. “Ich wollte ihm nur seinen Standpunkt klar machen!” Die Fahrt dauerte lange. Ziemlich lange. Weit nach dem dunkelwerden erreichten wir einen Rastplatz. Mir knurrte zwischenzeitlich der Magen, und ich hatte Durst. Jessi fütterte mich mit Stullen, die ich heute morgen für uns geschmiert hatte und gab mir Wasser zu trinken. Auf dem Rastplatz zog sie sich mit Umut in die hintere Kabine zurück, während ich am Fenster verweilte. Ich lehne meinen Kopf an die Scheibe und versuchte zu schlafen. Irgendwann gelang mir dieses.
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