Mit Dir Ziege
- Jessi Lui
- 16. Okt. 2020
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 17. Okt. 2020
Mit Dir Ziege
Er starrte sie hasserfüllt und voller Verachtung an. Sein Unterarm hob sich. Sie stand dicht vor ihm. Er konnte sie ohne Mühe erreichen. Warum tat er es nicht? Er hätte sie mit einem Schlag treffen können.
“Geh nach Berlin in die Gosse, aus der Du gekrochen bist!” Jessica lächelte ihn an, und es machte ihn wahnsinnig. Sie fuhr sich mit der Zunge über ihre Lippen. Ihre Gesichtszüge waren die Ruhe selbst. Sie lächelte. Sie schaute ihm direkt ins Gesicht.
“Du bist nichts als eine dumme Ziege, die mal ordentlich genommen werden muss, damit Du weißt, wo Dein Platz ist!” Sie ließ nicht von ihrem Lächeln ab.
“Der Worte sind genug gewechselt, lasst mich doch endlich Taten sehn, indes Ihr Komplimente drechselt, kann etwas nützliches entstehen.”
Er starrte sie an: “Was?”
“Was? Goethe- Faust - Gesprach mit dem Famulus.”
“Jetzt tut die Ziege auch noch auf gebildet. Du musst nur ordentlich genommen werden, dass ist alles!”
“Die Ziege wird Dir gleich zeigen, dass das nicht so einfach ist.”
“Du bist nichts weiter ist als eine dumme Hure.”
“Meinst Du, mich damit beleidigen zu können? Wir haben Rechte. Wir sind kein Spielball mehr, wie im nordischen Model, wo auch ihr uns mit Hilfe der Politik zurück in die Illegalität getrieben habt. Wir machen das legal und sind nicht von solchen Schwanzlutschern wie Dir abhängig!” Seine Hand glitt aus. Er schlug zu. Doch sein Schlag traf nicht, wurde abgewehrt, einer israelischen Kampftechnik sei Dank. Er landete auf dem Bauch und seine Sinne verließen ihn.
Der Wildpark Schwarze Berge im Norden Niedersachsens an der Grenze zu Hamburg erwachte gerade, als die ersten Leute in den Park stürmten. Es dauerte nicht lange und sie standen vor einem besonderen Gehege.
Zumindest heute war etwas anders. Unten dösten ein paar Ziegen herum. Ein Bock beschnupperte das Hinterteil seiner Artgenossin. So weit so gut.
Ein Stück höher öffnete jemand die Augen und schaute sich etwas verwirrt um. Die kreisrunde Platte, auf der er saß, hing an drei Ketten, die etwa neunzig Zentimeter über ihm zusammen liefen. Von dort führte ein Seil nach oben zu einem Harken und von dort zum Rand des Geheges. Die ganze Konstruktion hing zwei Meter in der Luft, war aber nicht allzu weit von einer glatten Wand angebracht.
Eine Gruppe von Vorschulkindern versammelte sich um das Gehege:
“Na was haben wir hier?”
Einige zeigten auf die Ziegen und sagten brav “Ziege”, da entdeckten die ersten unseren Mann in der Höhe. Die ersten Finger reckten sich und deuteten auf ihn. “Ziege!” Wildhüterin und Vorschullehrerin grinsten. Unser Mann war in Ziegenfell gehüllt, so dass er tatsächlich etwas Ähnlichkeit hatte. Er schaute nach unten und das Brett, auf dem er saß, neigte sich gefährlich zur Zeit, was den Kindern nicht entging. Kichern war zu hören.
“Ihr müsst wissen, so ein Bock hat ganz spitze Hörner!”, erklärte die Wildführerin den Kindern.
“Zur Zeit ist Paarungszeit und da müssen wir immer darauf achten, dass wir die jungen Böcke aus der Herde nehmen, weil die sonst aufeinander losgehen.” Unser Mann im Gehege schaute nach unten.
“Und es kann sein, dass sie dann auch die weiblichen Tiere verletzen. Darum müssen wir sie aus der Herde nehmen.” Während sie dieses sagte, erregte unser Ziegenmann die Aufmerksamkeit des Bockes. Er warf einen Blick nach oben und sie sahen einander in die Augen. Der Bock gab ein unzufriedenes meckern von sich und machte sich auf, das Brett von unten zu inspizieren. Seine Versuche, sich auf die Hinterbeine zu stellen und die Platte zu erreichen, scheiterten. Von allen unbemerkt schob sich ein winziger Schlauch über unseren Mann und wurde in Stellung gebracht. Die Kinder beobachten derweil, wie der Bock versuchte, an den Fremdling im Gehege heran zu kommen. Er stellte sich so weit wie möglich auf die Hinterbeine und gab wütende Laute von sich. Die Kinder waren auf den Bock konzentriert und bemerkten kaum, dass die Tierpfleger ein Ziegenweibchen nach dem anderen der Herde entnahmen, weil sie ahnten, dass es gefährlich werden könnte. Als das geschehen war, ließen sie einen ebenso stark aussehenden Ziegenbock ins Gehege.
Die Erzieherin ahnte schon, dass das kein gutes Ende nahm.
„Kommt, Kinder gehen, wir gehen.“
Sogleich trat eine Gruppe Jugendlicher an den Platz der Kinder, die das Schauspiel belustigt betrachteten und ihre Smartphones zücken.
Die beiden Böcke gingen aufeinander los und verkeilten sich krachend ineinander. Unser Mafiosi entdeckte seine Chance und ließ sich ein Stück vom Brett gleiten. Doch er hatte sich getäuscht. Sobald der Gute nur einen Fuß herabsenkte hielt einer der beiden Böcke inne, um dem zusätzlichen Eindringling Paroli zu bieten. Dieses sollte ein Kampf um die Herrschaft sein, eine nach Ziegenbock stinkende Kreatur konnten sie da wenig gebrauchen. Die Hörner des einen Bocks verfingen sich in dem Fell des Zuhälters und rissen ihm den Pelz auf. Sein Fuß verschwand wieder nach oben. Die Böcke richteten sich wieder einander zu.
Eine Frau, Jessica, trat unter die Jugendlichen: “Ein Schauspiel, ja”, sagte sie, in die Hände klatschend. “Aber ach, ein Schauspiel nur. Oh fass ich Dich, unendliche Natur, Euch Brüste wo, Ihr Quellen allen Lebens, woran Himmel und Erde hängen , so schmacht ich so vergebens.”
“Das war Faust.”, flüsterte eine der jungen Damen ihrer Mitschülerin zu.
“Jessica, Du wirst dieses jetzt hier sofort beenden, sonst!”
“Was sonst?” Die Platte senkte sich. Man sah den Schweiß auf der Stirn. Zwischen die Jugendlichen traten Männer in Anzügen. Der Ziegenmann registrierte dieses freudig.
“Ich glaube, Dein Glück ist gerade beendet! Salvatore, nimm die Schlampe fest!” Ein Mann packte sogleich Jessica am Arm.
Sie starrte ihn hasserfüllt an: “Laß das!”
Der Mann im Gehege begann zu lachen. “Jetzt machen wir Schluss mit diesem Theater!”
“Ganz recht,”, alle blickten sich zu einer Frau in Rot um, “Du bist wohl kaum in der Position, Forderungen zu stellen!” Der Griff an Jessicas Arm nahm zu. Alle schauten sie an. Nur die Frau in Rot nicht. Die schaute auf den Ziegenmann.
„Laut Tora ist das alles so lange koscher, wie der Gute nicht ins Fell wichst.“, meine Jessica, und sogleich bepisste Ziegenurin aus dem Schlauch über ihm den armen Mann.
“Du hast mich blamiert!”
Der Mann schaute zu Boden, was blieb ihm auch anderes aus seiner Höhe übrig: “Mama, ich…”
“Schweig Elendiger!” Sie wandte sich an Jessica. Nach einer kurzen Betrachtung reichte sie ihr die Hand. “Ich bin mit den vorgeschlagenen Bedingungen einverstanden! Keine Zuhälterei mehr, sondern echter Schutz und kein Nordisches Model. Ihr müsst legal tun, was Ihr immer getan habt!” Die Finger um ihre Arme lösten sich.
Jessica griff zu. “Willkommen in der Familie!” Es waren die Worte der jüngeren Frau an die Ältere.
Sie nahmen einander in die Arme. “Immer diese Bockigkeit!”, wurde der jüngeren zugeflüstert. “Ja, aber wir wissen damit umzugehen!”
“Una vergogna per i giovani” - Zu Deutsch: “Eine Blamage der Jung.”
Jessi schaute sie verschmitzt an: “„Die italienische Mutter sagt zum Kind: ‚Iss deine Pizza oder ich bringe dich um“. Die jüdische Mutter sagt: ‚Iss deinen Kugel oder ich bringe mich um‘“., und beide lachten.
Noch ein Hebräisch Schnellkurs auf Englisch? https://youtu.be/iX01L8wmhBk
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