Unwille
- Jessi Lui
- 12. Jan. 2021
- 5 Min. Lesezeit
Unwille
Er schaute mich von unten herauf an: “Ich will aber nicht.”
Mein Hand glitt in meine Hüfte: “Als Ehesklave hast Du zu tun, was ich sage!”
“Erzähl das mal dem Narren, der lacht Dich aus.” Er grinste mich wie blöd an. Ich ging zum Regal und griff in ein Schälchen Erdnüsse. Nachdem ich mir zwei davon in den Mund steckte, hielt ich ihm meine Hand in seine Mundhöhe hin. Doch er schien heute kein Interesse, mir aus der Hand zu fressen.
“Du hast mal gesagt, Du gibt’s mich wieder frei.”, stichelte er.
“Die Zeit ist längst abgelaufen.”
“Sag doch, hast Du gesagt!”
“Nein, die Zeit Dich freizulassen!”
Er machte ein erstauntes Gesicht: “Und warum, wenn ich mal ganz blöd fragen darf?”
Seine Stimme klang verächtlich, respektlos und eigentlich spielte ich mit dem Gedanken, ihn dafür übers Knie zu legen. Aber damit hätte er seinen Willen bekommen.
“Nein nein mein Freundchen, so leicht mache ich es Dir nicht.”
Er streckte mir die Zunge raus.
“Du kannst mich ja dafür schlagen!”, schlug er vor. “Oder aber Du gibst mich frei.”
“Und wenn ich nichts dergleichen tue.”
Jetzt stemmte er die Hände in die Hüfte.
“Ich glaube nicht, dass Du irgendwie belegen kannst, dass ich Dir gehöre, weil ich werde das nicht sagen, und somit habe ich mal wieder recht.” Ich verdrehte die Augen aufgrund dieser Spitzfindigkeiten.
“Als Sklave bist Du ganz schön frech!”
“Und als Narr gerade frech genug”, vollendete er den Satz. Ich verdrehte die Augen. Wollte ich mit ihm ein Wortgefecht? Wollte ich ihn tatsächlich zu etwas zwingen? Wollte ich ihm den Triumph geben, mich Sprachlos zu sehen, oder den Triumph, dass ich ihn ignorierte.
Eine Regel aus der Rhetorik besagt, “Man kann nicht nicht kommunizieren” und wenn eine Domina ihren Sklaven ignoriert, weil es sie geärgert hat, ist das eine Art von Kommunikation, die ihm sagt: “Ich rede nicht mit Dir!” Einen Sklaven würde das vielleicht traurig machen. Ein Sklave würde auf einen Befehl nach unten gucken. Ein Narr nicht.
Ein Narr ist der Willkür áusgesetzt, und die sollte er einschätzen können um es besser ist, dem Befehl zu gehorchen, oder zu leiden, das unansprechliche auszusprechen, dass die Herrin grausam ist, oder was auch immer.
Ein stummer Narr ist kein Narr und ich meine einen Narr, der nicht kommuniziert. Manche Sklaven sind kalte Fische, wo ich nichts spüre, gar nichts. Trotzdem finden sie das Spiel erregend, auch wenn ich nichts spüre, gar nichts. Zwischen Narr und Herrin fließt etwas und wenn es das tut, können sie das Publikum manipulieren.
Ich erinnerte mich aber auch an Szenen, wo ein Bauer in ein Narrenkostüm gesteckt wurde, weil er sich beklagt hatte, dass die Königin und ihr Hof in Saus und Braus lebten, während er und seine Kinder verhungerten. Diese Narren wurden für gewöhnlich nicht alt.
Ich musste darüber lächeln, wie mein Eigentum es verstand, mich zu necken, für andere dabei gelegentlich eine Show zu liefern und mich zu verleiten versuchte, etwas zu tun.
Es lag an mir, ob ich es tat, das kontrollierte er nicht.
In der Rhetorik und im Improtheater hieß es, man müsse spätestens das dritte Angebot annehmen und nach dem 3 Nein, war es vorbei.
Natürlich konnte der Narr nein sagen. Mal musste er mich umschmeicheln, mir Honig ums Kinn schmieren und mal war er Ausdruck von Gerechtigkeit und Weisheit. Wenn das Volk aber nach der Aufstachelung seinen Kopf forderte, hatte der Narr ein Problem.
Daher zurück zur Frage. Was tun?
Ignorieren, übergehen, darauf eingehen, was anderes tun? Gar ihn für die Frechheit bestrafen und somit belohnen? Der Narr konnte aus allem seinen Lustgewinn ziehen. Es ging hier nicht um Leben und Tod, das hier war immer noch SM mit Regeln.
Mir kam eine Idee und ich ging zum Bücherregal, wo ich nach dem Talmud griff. Er bat um Freiheit. Da stand bestimmt etwas drin. Ich fand schnell die Stelle, die ich suchte.
Ich las vor: “Im 2. B. M. 21,2-6 (das wäre in Tora oder der ähnlich in der gleichlauenden Lutherbibel 2. Mose 21) heißt es: “So Du einen (hebräischen) Knecht kaufst, der soll Dir sechs Jahre dienen, im siebten soll er frei ausgehen, umsonst. Spricht aber der Knecht, ich habe meine Herrin lieb, ich will nicht frei sein, so bringt ihn seine Herrin vor die Richter, stellt ihn gegen die Tür oder gegen den Türpfosten und bohre ihn mit einem Pfriemen durch sein Ohr, und er sei lebenslang ihr (sein) Knecht.” Das in Klammern war der Reintext, den ich zum Verständnis mit aufführe. Das Zitat endete und der Talmud fasste zusammen:
“Aus dem zeitweiligen wird also ein lebenslänglicher Knecht.”
Ich fasste sein Ohrläppchen und befühlte das Loch, das zugewachsen war, aber das man noch sah. Er nahm mir das Buch aus der Hand und steckte die Nase hinein.
“Du liebst mich doch oder?”
Die Frage durchbrach unser Spiel. Der Narr hätte vielleicht nein sagen können, mein Mann konnte das nicht. Ich sah, wie mein Narr die Zeilen mit den Augen verfolgte.
“Da steht nicht Herrin sondern Herr und da heißt es nicht ihr Knecht sondern sein Knecht.”, gab in der Sekunde des Triumph von sich und ich musste lachen.
“Ach ne so kenn ich Dich ja gar nicht! Bist Du jetzt unter die Feministen gegangen und verlangst das Buch Moses zu gendern damit es auch für uns Frauen gelten darf oder was? Lade nicht den Zorn der drei Weltreligionen auf Dich. Oder lehnen wir uns gerade gegen die Frauenbewegung auf?” Nach der letzten Frage gab ich ihm eine Ohrfeige, die ihn zucken ließ.
“Wie oft hast Du unseren Hochzeitstag schon vergessen und kamst ohne Blumen?” Ich griff zum Buch, blättere um und zeigte auf eine rot markierte Stelle. Das Zitat erspare ich mir hier, aber es machte noch mal den Unterschied zwischen beiden klar. Mein Narr öffnete den Mund für ein Argument und schloss es wieder.
“Dein Hirn mein Narr ist einfach zu klein für diese Aufgabe. Ich erkläre es Dir durch einen Witz mit Talmudtechnik: “Dialog auf dem Berge Sinai
Gott: "... und bedenke, Moses, Koche nie das Böcklein in der Milch seiner Mutter. Das ist ein Greuel."
Moses: "Ohhhh! Du sagst also, man soll milchig und fleischig nie zusammen essen?"
Gott: " Nein, was ich sage, ist, daß man das Böcklein nie in der Milch seiner Mutter kochen darf."
Moses: "Oh, Herr vergebe mir meine Ignoranz. Du sagst, daß wir sechs Stunden nach dem Genuß von Fleisch warten sollen, bis wir milchig essen, damit beides nicht gleichzeitig im Magen ist?"
Gott: "Nein, Moses, hör mir zu. Ich sage, koche niemals das Böcklein in der Milch seiner Mutter."
Moses: "Oh, Herr. Bitte richte mich nicht für meine Dummheit. Du meinst, wir sollen separates Geschirr für Milchiges und Fleischiges haben? Und wenn wir einen Fehler machen, sollen wir das Geschirr draußen verbrennen?"
Gott: "Mach was du willst, Moses ..."”
Er starrte mich an: “Nicht Dein Ernst!”
Ich schüttelte den Kopf. “Nein, natürlich nicht. Du machst, was ich sage!” Mein Finger berührte ihn auf der Brust.
“Aber Dein Hirn ist einfach zu klein um die Wahrheit zu erkennen, das wusste schon Anselm von Canterbury.”
(Wer den Gottesbeweis nicht kennt, möge ihn nachlesen.)
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